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Youthpaper Nr. 40, Mai 1999

Erlassjahr 2000 - Entwicklung braucht Entschuldung

von Jennifer Logge und Joshua Aikins

Die Kampagne “Erlaßjahr 2000” fordert den Erlaß der Schulden der Drittwelt-Länder auf ein tragfähiges Niveau, um eine Entwicklung in diesen Ländern zu ermöglichen.

Warum ein Schuldenerlaß nötig ist, wird klar, wenn man sich das nicht enden wollende Elend in der Dritten Welt, vor Augen führt. Ständig wird in den Medien von Hungersnöten und Bürgerkriegen, von der leidenden Bevölkerung berichtet.

Doch für die hohen Auslandsschulden der Dritten Welt sind nicht nur Mißwirtschaft und Ausbeutung durch korrupte Kleptokraten (wie die vor kurzem in Zaire und in Indonesien gestürzten Diktatoren Mobutu und Sukarto) verantwortlich. Denn während der Ölkrise in den siebziger Jahren gaben die großen Industrienationen die entstandenen wirtschaftlichen Belastungen in Form von Zinserhöhungen auf bereits gewährte Kredite an die Schuldnerstaaten in der Dritten Welt weiter, die so in eine Schuldenfalle gerieten. Von Finanzorganisationen wie dem IWF und der Weltbank wurde zwar “Entwicklungshilfe” geleistet, aber nicht mit dem Ziel, der Bevölkerung dieser Länder zu helfen, sondern einen reibungslosen Abtransport von Rohstoffen möglich zu machen, mit denen Schulden abbezahlt werden sollten. So konnte verhindert werden, daß sich in diesen Ländern eine verarbeitende Industrie aufbaut und gleichzeitig wurde den Gläubigerländern eine billige Rohstoffquelle erschlossen. Die Schuldnerländer geraten in einen Teufelskreis, da sie um die Kredite samt der wachsenden Zinsen abbezahlen zu können, immer mehr Rohstoffe auszuführen müssen. Es fehlen Mittel, um eine verarbeitende Industrie aufzubauen, mit der Rohstoffe veredelt und mit größerem Gewinn verkauft werden könnten. Die Wirtschaftsleistung bleibt so gering, daß mehr Rohstoffe ausgeführt werden müssen, was wiederum die Wirtschaft schwächt, und so weiter. Die daraus resultierende Verarmung zwingt zum verstärkten Abholzen von Wald, um Weideland zu schaffen, das kurzfristig höhere Landwirtschafterträge hervorbringt, langfristig aber die Umwelt schädigt.

Welche Eingendynamik die von den Gläubigerstaaten veranschlagten Zinsen dem Schuldenberg verleihen, zeigt sich am Beispiel Südafrikas: 1980 hatte der heute demokratische Staat, in dem damals noch das rassistische Apartheids-Regime herrschte, 84,3 Milliarden Dollar Schulden, die bis 1997 auf 223 Milliarden Dollar angewachsen sind. Obwohl Südafrika in diesem Zeitraum 170 Milliarden Dollar, das doppelte des Schuldbetrages, zurückgezahlt hat (u.a. in Form von Rohstoffen) haben sich die Schulden verdoppelt! Ähnlich, wie Südafrika haben viele Länder die Summe des Ursprünglichen Kredits längst abbezahlt und sind ihren Gläubigern, die ständig steigenden Zinsen schuldig. Das UN-Entwicklungshilfeprogramm von 1997 rechnete aus, daß die Befreiung hochverschuldeter Länder von ihrem jährlichen Schuldenrückzahlungen und die Investition dieser Gelder z.B. in Afrika bis zum Jahr 2000 das Leben von rund 21 Millionen Kindern retten und den Zugang zu Bildung für 90 Millionen Mädchen und Frauen sichern würde.

Ein Verzicht auf alle bilateralen Forderungen gegenüber den ärmsten Entwicklungsländern (rund 15,5 Milliarden Mark) würde einen jährlichen Einnahmeverlust in Höhe von 400 bis 500 Millionen Mark bedeuten. Das entspräche etwas mehr als fünf Prozent des Jahresetats des Entwicklungsministeriums. Insgesamt sind Entwicklungsländer mit rund 60 Milliarden Mark (Ende 1997) bei der Bundesregierung verschuldet.

Es gibt immer Situationen, in denen Kreditnehmer - privat, geschäftlich oder international - durch fremdes oder eigenes Verschulden zahlungsunfähig sind. Privatpersonen und Firmen sind durch Insolvenzesrecht und Konkursrecht (Recht auf Zahlungsunfähigkeit) im Inland vor unlösbaren Überschuldungssituationen geschützt. Die Schuldner werden davor bewahrt, durch Überschuldung in ihrer Existenz bedroht zu werden. Auf internationaler Ebene gibt es keinen Schutzmechanismus.

Jetzt fragt ihr euch vielleicht, was ihr damit zu tun habt? Ein Land gilt nicht mehr als kreditwürdig, wenn seine Wirtschaft zusammengebrochen ist. Das passiert, wenn zu viele Ressourcen (natürliche Produktions- und Geldmittel) ins Ausland fließen und nicht im eigenen Land investiert werden.

Der Schuldenerlaß wird zwar dieses Problem beseitigen, aber nicht das Problem der Korruption und der Mißwirtschaft. Aus diesem Grund fordert die Kampagne die Einrichtung von “Grenzwertfonds” (Fonds = Geldreserven für bestimmte Zwecke). Die gegenwärtigen Regierungen zahlen einen Teil der erlassenen (Devisen-)Schuld in die sogenannten Insolvenzfonts. Die Verwaltung des Fonds sollen Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und andere Vertreter der Zivilgesellschaft haben. Aus den Fonds sollen Projekte mit sozialer und ökologisch nachhaltiger Entwicklung gefördert werden.

Aufgrund des Drucks der faktischen Zahlungsunfähigkeit vieler Länder, haben Regierungen und Banken verschiedene Möglichkeiten für Schuldenerlasse und Umschuldungen geschaffen, wobei sich für die Situationen der Armen und der Länder nicht viel geändert hat.

Die Kampagne “Erlaßjahr 2000” ist kein Tropfen auf dem heißen Stein. Sie bietet den armen Menschen dieser Welt eine reelle Chance auf Leben.

Persönlichkeiten wie der Papst, Salman Rushdie und Bono (U2) haben sich für die Kampagne “Erlaßjahr 2000” eingesetzt. Im Februar 1999 erklärte Bono folgendes dazu: “Der inspirierendste Gedanke, auf den ich letztes Jahr stieß, war die “Erlaßjahr 2000”-Kampagne, ein Aufruf, die Schulden der Dritte-Welt-Länder an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend zu erlassen und diesen gleichsam verkrüppelten Nationen einen Chance zu geben, sich an von den Knien zu erheben und wieder aufrecht gehen zu können.”

Salman Rushdie sagte: “It’s even the Christian thing to do.”, wie es auch schon in 3. Mose 25, 35-37 steht und Jesus im Gleichnis vom “Schalksknecht” (Mt. 18, 23-25) bekräftigt.

Koellner Menschenkette   Wer sich nicht damit abfinden will, daß Menschen das nächsten Jahrtausend in auswegloser Armut Leben müssen, wer diesen Menschen einen Neuanfang ermöglichen will, wer einen umfassenden Schuldenerlaß fordert, dem verhängnisvollen Kreislauf der Verschuldung durchbrechen will und erwartet, daß die durch den Schuldenerlaß frei werdende Mittel zur Selbsthilfe der Armen eingesetzt werden, der soll sich an der Unterschriftenaktion, die bis zum 31. Mai 1999 läuft, beteiligen. Die Sammlung, die zur Zeit in über 40 Gläubiger- und Schuldnerländern durchgeführt wird, wird am 19. Juni in Köln beim G8-Gipfel den Regierungschefs der größten Industrienationen übergeben. Wer an einer gleichzeitig stattfindenden Menschenkette teilnehmen will, kann sich bei uns Info’s holen. Gebt den Menschen eine Chance mit eurer Unterschrift.

Mehr zu Erlaßjahr 2000 gibt es auch im Internet: http://www.erlassjahr2000.de