Die Zukunft ist Geschichte
von Norman/YPR
Als Anfang der 80er Jahre in den Kinos ein Film mit dem zunächst nichtssagenden Titel "Blade Runner" erschien, galt dieser Streifen eindeutig als Science-fiction. Heutzutage müßte man zynisch fragen, ob er nicht eher als ein Gesellschaftsdrama zu bezeichnen ist. Im Mittelpunkt des Films, der im Jahr 2019 in Los Angeles spielt, stehen von Menschenhand künstlich erschaffene Menschen, sogenannte Replikanten, Duplikate, die von echten Menschen nur noch durch einen komplizierten und aufwendigen Test zu unterscheiden sind. Weil sie ihren Schöpfern zu ähnlich und zu gefährlich wurden, wurden sie unter Androhung der Todesstrafe von der Erde verbannt. Die Hauptfigur des Films ist ein sogenannter "Blade Runner", der die Aufgabe hat, Replikanten, die auf der Erde auftauchen, "aus dem Verkehr zu ziehen". "Blade Runner" bedeutet übersetzt so viel wie "Einer, der auf Messers Schneide läuft" - zum Glück wurde der Titel bei uns nicht eingedeutscht.
Angesichts der jüngsten Erfolge im Bereich der Gentechnik, scheint die Zukunftsvision des Films gar nicht mehr so weit entfernt von unserer Realität. Nach der durch Genmanipulation erfolgreichen Replizierung des Schafes "Dolly" in Großbritannien, zweifelt in der Fachwelt eigentlich niemand mehr ernsthaft daran, daß auch Menschen geklont werden können. Hartnäckig halten sich Gerüchte, die besagen, daß in den USA mehrere Laboratorien kurz vor dem Durchbruch zum Menschenklon stehen. Tatsächlich gibt es in den USA, im Gegensatz zu Deutschland, kein Gesetz, daß das Klonen von Menschen verbietet (außer in Kalifornien). Der amerikanische Wissenschaftler Richard Seed sieht für die Menschheit die große Chance durch das Klonen, die Erschaffung von Menschen, "eins mit Gott zu werden". Die Ethikprofessorin Nancy Duff geht davon aus, daß sie selbst noch erleben wird, wie geklonte Menschen auf die Welt kommen, und fordert daher, daß sich die menschliche Gesellschaft bereits jetzt überlegen müsse, wie sie mit Klonen umgehen wird, da diese auf keinen Fall diskriminiert werden dürften (siehe Blade Runner).
Der Film "Blade Runner", der 1982 erschien, ist also nicht mehr die reine Fiktion, sondern von der Realität fast eingeholt. Grundlage des Films war der Roman "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?" von Philip K. Dick - angesichts der neusten Erkenntnisse müßte man heute aktualisieren: "Träumen Klon-Kinder von Dollys?". "Blade Runner" trägt den Untertitel: "Die Menschen schufen sich ihr Ebenbild ohne zu ahnen, was sie damit heraufbeschwören". In der Tat müssen wir uns die Frage stellen, ob wir wissen, was wir tun. Ist die Menschheit imstande ihr eigener Schöpfer zu sein? Natürlich bietet die Genforschung im Bereich der Medizin faszinierende Möglichkeiten, aber was für Folgen kann ein Mißbrauch haben und wie kann das wirksam verhindert werden? Oder wird es bald Klone geben, deren einzige Lebensaufgabe darin besteht, als Organspender für "richtige" Menschen zu enden? Das gleiche gilt auch im Bereich der Tierwelt, wo es heute schon gentechnisch manipulierte Ratten gibt, aus deren Rückengewebe menschliche Hände für spätere Transplantationen wachsen. Ist der Mensch als perfektes Wesen ohne jeden Makel vorgesehen? Brauchen wir idealisierte Lebensmittel auf dem Teller?
In der Fiktion des Films "Blade Runner" geht es soweit, daß sich am Ende keiner mehr sicher sein kann, ein "echter" Mensch zu sein, und der Replikantenjäger entpuppt sich selbst als Replikant. Können wir heute alle Folgen der Genentwicklungen absehen? Eindeutig nicht, da es ja keine Langzeitstudien (über 15-20 Jahre) über die Auswirkungen von z.B. genmanipulierter Nahrung gibt, da sie ja noch nicht so lange existiert.
Die Menschheit ist einige Schritte in einen stockfinsteren Tunnel hineingetreten, und es darf bezweifelt werden, ob sie am Ende das Licht finden wird.
Gegen Ende des Films "Blade Runner" begegnet der letzte überlebende Replikant seinem menschlichen Schöpfer und stellt ernüchtert fest: "Da ist nichts, wofür der Gott der Biomechanik dich in den Himmel lassen würde".