Lust auf mehr?!
Youthpaper Nr. 05, März 1993

Wie werde ich Zivi?

In der letzten Youthpaper habt ihr erfahren, wie diese ganze "Wehrdienstgeschichte" mit Erfassung, Musterung, EVP und Einberufung im Groben aussieht. Wollt ihr zur Bundeswehr, wißt ihr jetzt eigentlich schon das Wichtigste. Wollt ihr aber nicht marschieren, sondern Zivildienst machen, ist das folgende für euch äußerst wichtig: Wie werde ich Zivi?

Zunächst muß man staatlich anerkannter Kriegsdienstverweigerer (KDVer) werden. Der maßgebende Satz dafür steht im Grundgesetz, Artikel 4, Absatz 3:

Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.

Darum hat jeder das Recht, den Kriegsdienst zu verweigern. Die freie Wahl zwischen Wehr- und Zivildienst hat man aber nicht, denn man darf den Wehrdienst nur aus Gewissensgründen ablehnen. D.h., man muß dem Bund schriftlich mitteilen, warum man nicht Kriegsdienst leisten will. Die Gründe für diese Entscheidung müssen aus dem Gewissen kommen, also moralisch, etisch oder religiös sein. Der Bund entscheidet dann, ob die Gründe auch ausreichen zu verweigern, d.h. entweder erkennen sie die Gründe an, dann ist man anerkannter KDVer, oder nicht, dann folgt eine mündliche Prüfung. Derzeit werden allerdings 99% aller vollständigen Anträge auf Anerkennung als KDVer genehmigt.

Wie sieht nun so ein vollständiger Antrag aus?

Zu einem vollständigen Antrag gehören das Antragsschreiben und drei Anlagen: Lebenslauf, Begründung und polizeiliches Führungszeugnis.

Das Antragsschreiben muß die Berufung auf Art.4 Abs.3 GG enthalten ("Ich beantrage die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen gemäß Art.4 Abs.3 GG"). Die Personen-Kennziffer muß auch draufstehen. (PK-Nummer laut Erfassungsbogen oder Ladung zur Musterung.)

Der Lebenslauf sollte ein Bild von eurer Person entsehen lassen. Erwähnt sein müßten: Geburtsdatum und -ort, Angaben zu Eltern und Geschwistern und zum schulischen und beruflichen Werdegang, Interessensgebiete, Hobbies, Mitarbeit in Kirchen, Jugendgruppen o.ä., also insbesondere solche Aktivitäten, die einen Zusammenhang mit der Entscheidung zur Kriegsdienstverweigerung andeuten oder aufzeigen.

(Anmerkung: Vielleicht ist euch das Wortwirrwarr zwischen Kriegs- und Wehrdienst aufgefallen. Was ist nun eigentlich was? Eigentlich heißt die Bundeswehrzeit Wehrdienst, wollt ihr aber verweigern, müßt ihr den Wehrdienst Kriegsdienst nennen, weil ihr ja nur den Kriegsdienst und nicht den Wehrdienst verweigern könnt. Dies ist nur ein Beispiel für deutsche Bürokratie-Umständlichkeiten.)

Die persönliche, ausführliche Begründung sollte deutlich machen, wie die eigene Gewissensentscheidung zur KDV zustande gekommen ist, z. B. durch Erziehung, Familie(-nschicksale), Kriegserlebnisse und -erinnerungen in der Familie, besondere Anregungen durch Schule, Freundeskreis, persönliche Erlebnisse, Besuch von Kriegsgräbern oder Gedenkstätten und Beschäftigung mit Themen Frieden/Krieg während Reisen, durch Bücher, Filme, Ausstellungen etc. Außerdem sollten die persönlichen Weltvorstellungen (moralisch, ethisch, religiös) beschrieben werden, die für die eigene Person verbindlich sind. Eigene Glaubensüberzeugungen (Gebote, Bergpredigt) und Ansichten, z.B. zur Gewaltfrage, Wert des Lebens, Kriegsfolgen, Kriegsverhinderung sollten untermauern, daß man eine Gewissensentscheidung gegen jeden Kriegsdienst getroffen hat.

Das polizeiliche Führungszeugnis ist bei der örtlichen Meldestelle (für uns die am Nordgraben) zu beantragen (Kosten: 10,- DM). Es dauert in der Regel 2-3 Wochen bis man das Zeugnis ausgehändigt bzw. zugeschickt bekommt. Es darf nicht älter als drei Monate sein, wenn man es einreicht!

Vor der endgültigen Abfassung von Lebenslauf und Begründung sollte beides mit einem erfahrenen Berater durchgesprochen sein. (Adressen/Telefonnummern könnt ihr von mir bekommen oder auch mich selbst ansprechen.) KDV-Antrag, Lebenslauf und Begründung müssen jeweils eigenhändig unterschrieben sein. Nachdem man die Unterlagen für die eigenen Akten kopiert hat, sendet man die Originale per Einschreiben an das Kreiswehrersatzamt bzw. nach Aufforderung an das Bundesamt für den Zivildienst (BAZ) (Adresse: Postfach 520120, 5000 Köln 51).

Ganz wichtig ist es, gesetzte Fristen zu beachten!

Bei Nichtbeachtung: Ablehnung! ! !

Und noch ein wichtiger Hinweis: Ein KDV-Antragsteller sollte bei der evtl. stattfindenden Eignungs- und Verwendungsprüfung (EVP) keinerlei Verwendungswunsch für den Wehrdienst ankreuzen, da sonst Zweifel seitens der Bundeswehr und eine mündliche Gewissensprüfung drohen!

Ein anerkannter KDVer muß nicht zur EVP. Es kann aber passieren, daß man die Ladung zur EVP bekommt, bevor man erfahren hat, ob der Antrag anerkannt worden ist; dann müßt ihr hingehen.

Nachdem ihr also diese gesamte Verweigerung nach Köln geschickt habt, werdet ihr 1-3 Monate später eine Antwort erhalten. Diese Antwort ist dann, wenn ihr alles richtig gemacht habt, die Anerkennung als KDVer, ansonsten die Ablehnung und weitere Instruktionen, aber das ist sehr unwahrscheinlich und kann auch widerrufen werden. Sobald ihr anerkannter KDVer seid (evtl. auch schon vorher), könnt ihr euch um einen Zivildienstplatz bemühen. Dazu ruft ihr am besten caritative Organisationen an (z.B. Diakonisches Werk, Rotes Kreuz, Caritas) und laßt euch von denen Listen mit Adressen ihrer Einrichtungen, in denen es Zivi-Plätze gibt, zuschicken.

Falls ihr noch Fragen habt oder Adressen braucht, ruft an: 4153830.

Euer Norman

Quelle: Info-Broschüre der ev. Jugend Berlin