Lust auf mehr?!
Youthpaper Nr. 59, April 2003

Was guckst Du an Ostern?

von Norman/YPR

Bownling for Columbine   Die diesjährige Oscarverleihung stand ja aufgrund des kurz zuvor begonnenen Irak-Krieges unter keinem günstigen Stern. Da war die Rede davon, daß die Verleihung ausfallen oder verschoben werden sollte, und daß ganz viele Stars nicht erscheinen, entweder aus Protest oder aus Angst. Schließlich wurde ein Kompromiß gefunden: Die Feier findet statt, aber bitte nicht so glamourös wie sonst und ohne die sonst übliche Parade der Stars über den "roten Teppich". Letztlich waren es doch nur einzelne Stars, die nicht erschienen und die meisten hielten sich daran, kein kritisches Statement zum Krieg abzugeben, nach dem Motto: Der Oscar hat nichts mit Politik zu tun. Insgesamt war es doch, wie so oft, ein fauler Kompromiß, der dort gefunden wurde. Meiner Meinung nach hätten sie konsequent sein sollen und richtig feiern, wenn sie schon selbst sagen ,daß es um Kunst und nicht um Politik geht, oder sie hätten andererseits ganz absagen sollen, aber das gab es in der 75jährigen Oscargeschichte noch nie, nur 2mal wurde der Termin aus aktuellem Anlaß verschoben. So war die 75. Oscarverleihung trotz des Jubiläums nur eine pompöse Veranstaltung mit angezogener Handbremse. Die deutlichsten Worte an diesem Abend fand nicht der diesmal sehr blässlich-langweilige Moderator Steve Martin, sondern der Dokumentarfilmer Michael Moore, der für seinen Film über das Waffen- und Gewaltproblem in den USA mit dem Titel "BOWLING FOR COLUMBINE" (Aufhänger für den Film war das Schulmassaker von Columbine) den Oscar für den besten Dokumentarfilm erhielt.
Micheal MooreEr verurteilte den Krieg scharf, kritisierte die US-Regierung und gipfelte in den Worten: "Shame on you, Mr. Bush" (Schämen sie sich, Herr Bush). Das Publikum war sichtlich irritiert, manche hielten das für einen Gag und lachten, andere pfiffen und buhten, manche klatschten. Dieser kurze Moment spiegelte die ganze Zerrissenheit und auch die Unsicherheit der Prominenten wieder. In der Tat müssen die Schauspieler in den USA zur Zeit fürchten, daß sie keine oder zumindest weniger Angebote bekommen, wenn sie sich öffentlich gegen den Krieg äußern. Das ist das freie Amerika! Das ist die Freiheit, die sie der Welt bringen wollen, mit dem großen Kreuzritter George W. Bush an der Spitze, der dabei ist, die Welt des 21. Jahrhunderts ins Mittelalter zurückzustoßen mit seinen Kreuzzügen. Dabei ist Bush nicht einmal ordentlich gewählt - doch diese Diskussion führt hier zu weit, eigentlich wollte ich über Filme schreiben, aber so ist das Kunst und Politik kann man nicht trennen. Wer mehr zu diesem Thema erfahren möchte, wer die ganze amerikanische Wahrheit kennenlernen möchte, dem empfehle ich das Buch: "Stupid white men" von Michael Moore, das es auch in deutscher Übersetzung gibt und derzeit ein Bestseller ist.
Chicago    Zurück zum Thema: Die Oscarverleihung war so blaß wie die dazugehörigen Filme, ein paar waren zwar ziemlich gut, aber keiner taugt wirklich für die Filmgeschichte. "Chicago" räumte die meisten Oscars ab, nämlich 6. Ein verfilmtes Musical, das letztlich nur die Bühnenversion fürs Kino umgeschrieben hat. Wer Tanz, Musik und Gesang im Kino mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Richard Gere singt solala, Catherine Zeta-Jones ist nicht nur ein Hingucker, sondern bekam auch den Oscar zurecht. Der große Verlierer war "Gangs of New York". 11mal nominiert und keinen einzigen Oscar bekommen, das ist zu hart, zumindest U2 hätte den Oscar für den Besten Song "The hands that build America" bekommen sollen, statt dessen bekam ihn Eminem, für 8 Mile. Er selbst war allerdings nicht da, er hatte etwas Besseres vor. Das die "Gangs von New York" sonst nix gewannen, stört mich eher wenig, ein guter Bösewicht (Daniel Day-Lewis) macht noch keinen guten Film. Die Ausstattung war opulent, aber die Story und die Hauptdarsteller (Leonardo DiCaprio und Cameron Diaz) konnten mich nicht so recht erwärmen bzw. mitreißen. Schade.
Moonlight Mile    Aber was soll man denn nun an Ostern im Kino gucken? Wem der bereits erwähnte Dokumentarfilm "Bowling für Columbine" zu anstrengend ist, dem empfehle ich "Moonlight Mile". Allerdings ist dieser Film auch starker Tobak. Der Film, mit den beiden Oscargewinnern Dustin Hoffman und Susan Sarandon hervorragend besetzt, zeigt uns, wie eine Familie versucht, sich nach dem gewaltsamen Tod der Tochter, die kurz vor ihrer Hochzeit stand, wieder zurecht zu finden. Der Film ist allerdings mehr als nur ein tränenreiches Drama, er balanciert gekonnt zwischen tiefer Tragik und befreiendem Humor und bedient sich nicht der üblichen Klischees. Jake Gyllenhaal, der den Fast-Schwiegersohn darstellt, könnte vielleicht demnächst für einen Oscar in Frage kommen. Fazit: Berührend, paßt für Ostern.