Lust auf mehr?!
Youthpaper Nr. 40, Mai 1999

Der Konflikt mit dem Kosovo-Konflikt

von Carsten/YPR

Das Vorhaben, einen Artikel zur aktuellen Lage im Kosovo zu schreiben, führte in der letzten Redaktionssitzung zu einer mehrstündigen, heftigen Grundsatzdiskussion, wie Christen denn zu einem solchen „Wir-helfen-den-Unterdrückten-durch-militärische-Mittel-Krieg“ stehen sollten. Die Meinungen waren klar differenziert. Die eine Fraktion stellte sich entschieden gegen jegliche militärische Handlung, und war der Meinung, Gewalt sei in keiner Weise gerechtfertigt - es gäbe immer einen anderen Weg. Auffällig war, daß diese Ansicht ausschließlich von den Jüngeren der Redaktion vertreten wurde. (Ich kann mich sehr gut an meine Haltung zum Golfkrieg erinnern als ich 16 war: ohne Frage gegen jede Art von Krieg - ich haßte Amerika!) Und dann gab es die anderen (zu denen ich auch gehörte), die ein Einschreiten - auch militärisch - in diesem Fall für sinnvoll hielten, und die damit verbundene Gewalt auch als Christ rechtfertigen glaubten zu können. Außerdem gab es natürlich auch unentschlossene und innerlich zerrissene Leute, was eine Meinung zum Kosovo-Konflikt anging.

Landkarte   Wir entschlossen uns also, keinen richtungsweisenden Artikel zu schreiben, da wir uns ja nicht mal innerhalb der Redaktion einig waren. Es scheint keine Lösung zu geben, kein eindeutiges Statement von biblischer Seite, oder doch? Um die Spannung vorwegzunehmen: Ich weiß es nicht. Dennoch hat mich diese Diskussion sehr zum Nachdenken gebracht - und obwohl ich keine Lösung weiß - bin ich mir ziemlich sicher, daß ich unrecht habe, den Krieg zu unterstützen (Nebenbei sei noch gesagt, daß ich nur das anfängliche Einschreiten guthieß - was dieser Tage geschieht, ist auf jeden Fall nicht mehr vertretbar!). Aber ich werde diese Erkenntnis kaum umsetzen können. Weil ich auch nur ein Mensch bin. Und damit nicht besser als Milosevic oder Clinton.

Jesus macht es uns nicht einfach. Er redet immer dann eindeutig, wenn es um seine Person geht oder um einen selbst. So beispielsweise im Garten Gethsemane, als ihn Petrus mit dem Schwert verteidigen will. Oder mit dem Gebot, daß wir auch die andere Seite des Gesichtes hinhalten sollen, wenn uns einer schlägt. Ok, damit hätte ich vielleicht weniger ein Problem. Man selbst kann Schmerzen hinnehmen, wenn man weiß, daß man um Jesu willen handelt, schließlich ist man in diesem Fall nur für sich selbst verantwortlich.

Aber wer von uns würde es zulassen, wenn jemand anderem unbegründet Gewalt angetan wird, und man selber die Möglichkeit hätte, einzuschreiten? Würden wir zusehen, wie ein Nächster totgeprügelt wird? Würden wir uns daneben stellen und reden? Oder würden wir, wenn wir eine Waffe hätten, und alles Reden nichts hilft, nicht notfalls auch schießen? Ich weiß es nicht. Was wäre, wenn der Unterdrückte sogar um Hilfe bittet, oder unserer Familie angehören würde, oder der Freund/die Freundin wäre, den/die man über alles liebt? Und wie verhält sich das alles zum Gebot „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“, sowohl in Bezug auf das Opfer als aber auch gerade in Bezug auf den Täter.

Man kann diesen Gedankengang weiterspinnen bis man verrückt wird. Man kann sich auch ernsthaft fragen, was sehr wahrscheinlich wirklich richtig ist. Klar ist, daß es keinem von uns zusteht, jemanden zu richten. Gott hat, bevor er Jesus schickte, das Richten oft sofort in die Hand genommen (Plagen etc.). Mit Jesus aber war das vorbei. Weil er uns liebt. Nun findet das Richten erst nach dem Tode statt. Und wenn wir eines Tages dort vor dem Gericht stehen, wird der Unterdrückte frei sein, und der Übeltäter bestraft werden. Hat man selber mit Gewalt in diesen Konflikt eingegriffen, wird man sehr sicher auch schuldig sein - und darüber gerichtet werden.

Also nur reden und „nur“ beten, aber bis zum Schluß nie eingreifen, weil man daran glaubt, daß Gottes Gerechtigkeit eines Tages offenbar wird? Selbst wenn andere dabei sterben? Ich weiß es nicht, aber ich kann es mir vorstellen. Jesus hätte auch nicht geschlagen, gebombt, getötet. Und Gott wird sie richten. Eines Tages.

Ich kann nur um Vergebung bitten, wenn ich trotzdem anders handeln werde.