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Youthpaper Nr. 35, Juni 1998

Buddhismus

Die neue Serie: Weltreligionen

von Jens/YPR

Hier ein paar Ausschnitte aus einem Interview mit Geshe Thubten Ngawang, dem Leiter des tibetischen Zentrums in Hamburg :
   (Ausschnitte eines Interviews der Zeitschrift PM 12/96)

Welches ist das Symbol der Religion, und welche Bedeutung hat es ?

Das Symbol des Buddhismus ist das Rad. Nabe, Felgen und Speichen symbolisieren die drei Grundtugenden, die zur Erleuchtung führen: Ethik, Konzentration und Weisheit.

Wie und in welchen Alter kann man dem Buddhismus beitreten?

Der Eintritt erfolgt, wenn man erwachsen genug ist. Vorher wird empfohlen, Kinder an Zeremonien teilnehmen zu lassen.

Welche religiösen Pflichten hat der Gläubige?

Wie intensiv der Gläubige die religiöse Praxis lebt, ist ihm überlassen. Empfohlen werden als Grundtugenden: anderen Wesen keinen Schaden zuzufügen; sich täglich der Lehre zu erinnern, Tischgebete zu sprechen und die Texte des Buddhismus zu studieren.

Ist finanzielle Unterstützung freiwillig oder Pflicht?

Finanzielle Unterstützung von Tempeln, Mönchsgemeinschaften und Zentren ist nicht Pflicht, gilt aber als religiöse Tugend. Westliche Zentren existieren durch Spenden und Mitgliedsbeiträge.

Gibt es Essensge- oder verbote?

FotoAbgelehnt werden sowohl zu strenge Askese als auch Völlerei. Aus Mitgefühl mit den Tieren sind viele Buddhisten Vegetarier.

Gibt es Kleidungsgebote?

Ordinierte Mönche und Nonnen tragen Roben, um zu zeigen, daß sie ein spirituelles Leben gewählt haben. Allen anderen Buddhisten wird empfohlen, sich kleidungsmäßig, den Landessitten anzupassen, um kein Ärgernis zu erregen.

Buddhas goldene Füße: Wer
dem Weg des erleuchteten
folgt, kann selbst die
Vollkommenheit eines Buddha
erreichen

Existiert der Begriff Sünde? Wenn ja, welches ist die schlimmste?

Im Buddhismus spricht man nicht von Sünde, sondern von einer unheilsamen Handlung. Unheilsam ist jede Tat, durch die anderen Lebewesen Schaden zugefügt wird. Dazu gehören auch schon negative Denkweisen. Nach der Lehre des Karma-Gesetzes hinterlassen alle diese Handlungen Spuren im Geist, die zu Leiden in einem späteren Leben führen.

Wie erlangt der Gläubige Verzeihung der Sünden?

Die Reinigung von unheilsamen Handlungen erfolgt durch Reue, Mitgefühl und Vertrauen in Buddha.

Welche Vorstellung hat die Religion von Gott?

Buddha hat aus philosophischen Gründen die Existenz eines unwandelbaren Gottes als Ursache für die Welt und alles darin Geschaffene abgelehnt. Nach buddhistischer Auffassung sind alle Dinge eng miteinander verwoben und existieren nicht isoliert. Das Schicksal des Menschen entsteht nicht aus der Willkür eines Gottes, sondern aus den Handlungen des Erlebenden selbst.

Was ist das Ziel der religiösen Praxis?

Neben der Verminderung von Leiden in diesem Leben durch eine heilsame Lebensweise mit sich und den Mitmenschen kennt der Buddhismus vielfältige spirituelle Ziele. Dabei kann man zunächst ein hohes Dasein nach dem Tod anstreben oder die Befreiung aus allem Leiden oder sogar die Vollkommenheit des Buddha.

Was kommt nach dem Tod?

Buddhismus lehrt, daß sich der Geist nach dem Tod vom Körper trennt. Nach Durchlaufen eines Zwischenzustandes in einem feinstofflichen Körper verbindet er sich im Augenblick der Empfängnis mit einem neuen Körper. Die Qualität des nächsten Lebens ist abhängig von der spirituellen und moralischen Entwicklung in der Vergangenheit, vor allem auch vom Bewußtseinszustand im Tod. Daher ist gutes Sterben für Buddhisten so wichtig.

Gibt es die Hölle?

Wenn ein Wesen besonders unheilsam gehandelt hat, kann die nächste Existenz subjektiv als höllisch erlebt werden. Entsprechend führen heilsame Taten zur subjektiven Empfindung von Glückszuständen.

Welches sind die höchsten Feiertage?

Es gibt vor allem das Vesakh-Fest (meist im Mai), bei dem Geburt, Erleuchtung und Tod des Buddha gefeiert werden. Auch der Tag der ersten Lehrrede des Buddha und das Neujahrsfest werden begangen.

Gibt es eine Heilige Schrift?

Der Kern des Buddhismus sind die Lehrreden des Buddha und die Kommentare späterer Meister. Die schriften wurden nicht von einem Gott offenbart, sondern entstammen den Einsichten der jeweiligen Verfasser.

Wer ist das geistliche Oberhaupt?

Buddha hat keinen Nachfolger bestimmt. Daher gibt es auch kein für alle verbindliches Oberhaupt. Der zur Zeit berühmteste Buddhist ist der Dalai Lama.