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Youthpaper Nr. 28, Mai 1997

Scientologen-Hetzkampagne trägt Früchte

von Jens/YPR

(Stand: 5/97)

Nach Schulmeisterart hält die US-Regierung der Bundesrepublik Deutschland den erhobenen Zeigefinger ins Gesicht. Das Außenministerium in Washington wirft uns Intoleranz gegenüber Mitgliedern einer "Kirche" vor, deren Hauptinteresse freilich keiner höheren Macht gilt als dem eigenen Reichtum. Gleich China, Saudi-Arabien und Diktaturen der Dritten Welt sind wir "Menschenrechtsverletzer".

Der jüngste Menschenrechtsbericht des Ministeriums bezichtigt deutsche Regierungsstellen einer "Einschüchterungskampagne" gegen die Scientology-"Kirche", die nach höchstrichterlichem Urteil gar keine Kirche ist. Haben wir diese "Glaubensgemeinschaft", von deren acht Millionen Mitgliedern 30.000 in Deutschland leben, etwa verboten? Nein, aber in Griechenland, nachdem Scientologen dort Politiker, Journalisten und Priester bespitzelt hatten. Sind bei uns Scientologen zu Gefängnis verurteilt worden? Nein, aber in Frankreich, wo einer ihrer Chefs ein ehemaliges Mitglied in den Selbstmord getrieben hatte. Sind sie bei uns bezichtigt worden, eine verbrecherische Vereinigung gebildet zu haben ? Nein, aber in Italien, wo 29 von ihnen wegen dieses Deliktes Haftstrafen von neun Monaten bis zu zwei Jahren erhielten.

Sagen nur wir, daß diese von Kalifornien gesteuerte Organisation keine Kirche sei? Mitnichten. Die Regierungen Spaniens und Großbritanniens kamen zu dem gleichen Schluß, und die US-Steuerbehörde dachte jahrzehntelang ebenso, bis sie sich in vielen Prozessen zermürben ließ und den Scientologen Kirchenstatus einräumte. Hingegen ging die Time mit ihnen weniger zimperlich um: "Scientology ist ein ungeheuer einträglicher weltweiter Schwindel, der dadurch überlebt, daß er seine Mitglieder und Kritiker nach Mafia-Art einschüchtert."

Pikanterweise bestätigen die Scientologen das Urteil von Time, indem sie ankündigten, daß sie jetzt die Verfehlungen deutscher Politiker bloßstellen würden. Damit werden sie in der Tat ein außenpolitisches Problem, wie der Sektenbeauftragte der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Thomas Gandow, sagte. So gesehen ist sein Vorschlag, daß der Bundesnachrichtendienst die Sekte beobachten sollte, nicht abwegig.

Was genau werfen uns unsere Kritiker eigentlich vor?

Erstens, daß deutsche Politiker die Scientologen nicht anders apostrophieren als prominente Amerikaner, Briten oder Franzosen auch.

Zweitens wird uns nachgesagt, daß wir, wie einst die Nazis, künstlerische Leistungen von Scientologen zu boykottieren trachten (siehe "Mission: Impossible").

Drittens mißfällt es Deutschlands Kritikern, daß in Bayern und in Baden-Württemberg der Landesverfassungsschutz die Scientologen beobachtet und Mitglieder dieser Organisation in Bayern nicht öffentliche Bedienstete werden dürfen, denn Scientology ist totalitär und verletzt damit unser Grundgesetz. Das Komische daran ist nur, daß das Grundgesetz vor fast 50 Jahren mit dem Einverständnis auch der Besatzungsmacht USA zustandegekommen ist.

Die USA begehen immer wieder den Fehler, von sich selbst auf andere zu schließen. Wenn sie meinen, im Namen der Meinungs- und Religionsfreiheit auch verfassungsfeindliche Sektierer und Milizionäre in ihrem ganz anders strukturierten öffentlichen Dienst dulden zu können, so haben wir darüber nicht zu richten. Aber ein Land mit unserer Geschichte, unserer Bevölkerungsdichte und unseren vielen offenen Grenzen kann sich das nicht leisten. Das gleiche gilt aber auch für Frankreich, Italien oder Griechenland, von denen in Amerika im Zusammenhang mit Scientology merkwürdigerweise niemand spricht.

Washingtons Verhalten in diesem Fall ist verwerflich, weil die Regierung des mächtigsten Landes der Welt eine infame Hetzkampagne gegen die Bundesrepublik nachplappert. Seit über zwei Jahren schalten die Scientologen in der notorisch deutschfeindlichen, aber hochangesehenen Tageszeitung New York Times ganzseitige Anzeigen , in denen sie ihre Behandlung in Deutschland mit dem Los der Juden unter den Nationalsozialisten vergleichen. Jetzt endlich protestieren jüdische Organisationen in den USA gottlob gegen diesen unverschämten Vergleich, von dem sich auch das Außenministerium distanzierte, weil er den Holocaust bagatellisiert.

Wie sich das Ministerium aber aus der Affäre ziehen will, wenn die von ihm verhätschelte Organisation anfängt, die Politiker einer befreundeten Nation zu bespitzeln und zu verleumden, ist eine spannende Frage. Die Kampagne der Scientologen hat jedoch schon ihren Zweck erfüllt. In den Köpfen einflußreicher Amerikaner hat sich der Gedanke festgesetzt: "Sieh einmal an, die Deutschen! Sie ändern sich nie. Jetzt haben sie ein neues Opfer gefunden - noch dazu eine unserer Kirchen."

So müssen wir uns vor diesem globalen Schwindel schützen und dürfen uns nicht unterwandern lassen.