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Titelcover Nr. 07
Youthpaper Nr. 07, Juni 1993

Zufall Erde oder Wo liegt die Wahrheit

von Carsten/YPR

Das Entstehen der Welt als Zufall hinzunehmen, käme dem gleich, bei der Explosion einer Druckerei ein Lexikon zu erwarten!

So ähnlich lautete die These eines Christen, der mir auf einer Kirchentags-Verantstaltung vor ein paar Jahren über den Weg lief. Nun ja, dachte ich im ersten Moment, da hat er sicherlich recht. Mehr Gedanken machte ich mir zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht darüber.

So geht uns das oft. Wir hören etwas, was uns auf Anhieb gefällt oder von dem wir glauben, es sei logisch, und behalten dies im Kopf, geben es vielleicht sogar weiter, glauben letztlich selbst daran, weil uns nichts Besseres zu Ohren kommt. Meist hinterfragen wir diese Thesen nicht, weil wir dem, der sie uns erzählt, vertrauen, oder weil wir keine Ahnung von dem Thema haben und zu faul sind, uns selbst zu informieren. Schließlich wird mir ein Christ doch kein Müll erzählen, also kann ich es beruhigt weitersagen, und meine Freunde glauben mir dann auch.

So kann das schon mal aussehen - doch was, wenn wir nur die halbe Wahrheit wußten, oder sich mal einer irrt? Dann gibt es plötzlich ganz viele, die mit einer falschen Meinung herumlaufen und diese verbreiten.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, das gilt manchmal auch unter Christen. Oder vielleicht sogar gerade da. In der Fahrschule lernt man zum Beispiel, daß ein beschrankter Bahnübergang wesentlich gefährlicher ist, als einer ohne Schranken. Warum? Ganz einfach, bei dem ohne Schranken ist man eh achtsam, bei dem mit geht man jedoch davon aus, daß man durch fallende Schranken vor einem Zug gewarnt wird und ist somit viel unvorsichtiger. Was aber, wenn die Schranken kaputt sind?

"Da Christen nicht lügen dürfen, müssen sie folglich immer die Wahrheit sagen." Sich darauf zu verlassen, kann einen durchaus mal auf den falschen Weg bringen.

Ich will damit nicht sagen, daß wir in unserer Gemeinde - oder überhaupt wir Christen - nichts mehr von dem glauben sollten, was uns andere erzählen, aber ich denke, es ist immer sehr wichtig, sich ein eigenes Bild zu machen.

Man nehme sich noch einmal das Zitat vom Beginn dieses Artikels. Wie gesagt, auch ich habe darüber nicht viel nachgedacht. Aber mir war klar, was mit diesem Spruch ausgesagt werden sollte: Es ist so ziemlich unmöglich, daß die Erde ein Zufall ist. Folglich muß Gott sie geschaffen haben. Mal abgesehen davon, daß ich auch daran glaube, möchte ich kurz auf dieses Zitat zu sprechen kommen und es genauer unter die Lupe nehmen.

Als ich anfing, in der Schule etwas über Wahrscheinlichkeitsrechnung zu lernen, begann ich, mir über Zufälle und somit auch über diesen Spruch mehr Gedanken zu machen als vorher. Ich will im folgenden ein paar ganz einfache Rechnungen darstellen, die verdeutlichen sollen, was mir dabei durch den Kopf ging.

Nehmen wir an, jemand hat einen Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Würfel und spielt damit herum. Jeder weiß, dieser Würfe) hat sechs Seiten, also ist die Wahrscheinlichkeit, eine der sechs Ziffern zu würfeln, gerade ein sechstel.

Oder jemand besitzt einen CD-Spieler mit Zufallswiedergabe und hört eine CD mit 17 Liedern, dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß der CD-Player gerade das beste Lied von der CD spielt, ein Siebzehntel groß.

Oder man steht an einer Weggabelung, von der man in zwei Richtungen gehen kann, dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür, den richtigen Weg zu nehmen, genau ½.

Doch zurück zum Würfel mit sechs Seiten. Jetzt wird der Würfel zweimal hintereinander gewürfelt, so daß sich zweistellige Zahlen aus den Ziffern 1 bis 6 ergeben können. Dann berechnet sich Wahrscheinlichkeit dafür, eine dieser Zahlen zu würfeln, aus folgender Rechnung:

1/6 (Wahrscheinlichkeit für das Auftreten irgendeiner der sechs Ziffern im ersten Wurf) mal 1/6 (Wahrscheinlichkeit für das Auftreten irgendeiner der sechs Ziffern im zweiten Wurf). Also: 1/6 x 1/6 = 1/36. Demnach muß es insgesamt 36 mögliche Kombinationen geben. Wer will kann ja nachzählen:

11, 12, 13, 14, 15, 16, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 61, 62, 63, 64, 65, 66.

Steht man z.B. zweimal hintereinander an einer Weggabelung mit zwei Wegen, so ist die Wahrscheinlichkeit dafür, auf dem richtigen Weg zu sein, nur noch ¼ (= ½ x ½).

All dies sind ja noch Wahrscheinlichkeiten in vorstellbarer Größe. Darum geht's jetzt einen Schritt weiter. Nehmen wir an, jemand hätte einen Würfel ohne Zahlen, dafür aber mit den Buchstaben A-Z und ein paar Zeichen, wie ".,:;". Dieser Würfel hätte also theoretisch 30 Seiten: 26 für die Buchstaben und vier für die Zeichen. Gehen wir mal davon aus, man könnte mit diesen vier Zeichen und den Buchstaben ein Buch schreiben: z.B. die Bibel. (Dann gäbe es zwar nur große Buchstaben, keine Umlaute wie "ä, ö, ü, ß" usw., keine Zahlen und keine Klammem oder Anführungsstriche, und nicht mal Leerzeichen in dieser Bibel, aber wir wollen's ja auch nicht perfektionieren.) Weiterhin gehen wir davon aus, die Bibel hätte 1200 Seiten, und auf jeder Seite seien im Durchschnitt 45 Zeilen in zwei Spalten. Jede Zeile habe 35 Buchstaben und/oder Zeichen. Also ist die Anzahl der Buchstaben bzw. Zeichen in der Bibel etwa

1200x2x45x35=3.780.000.

Wie Groß ist nun die Wahrscheinlichkeit, daß die Person mit dem 30-seitigen Würfel genau eine solche Buchstabenfolge würfelt, daß sich die Bibel ergibt? Also, erst ein A, dann ein M, wieder ein A, dann N, F, A, N, G, usw.

Nun, die Wahrscheinlichkeit ist recht klein, aber sie existiert:

3.780.000 Stellen sind zu belegen. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Stelle den richtigen Buchstaben bzw. das richtige Zeichen zu würfeln, beträgt 1/30 (also z.B. ein 'A' zu würfeln). Die, ein 'AM' zu würfeln ist demnach:

1/30 x 1/30 = (1/30)² = 1/900.

Ein 'AM ANFANG' zu würfeln: (1/30)8 (hoch 8, weil es acht Buchstaben sind).

Die Wahrscheinlichkeit, die Bibel zu würfeln, ist also etwa:

(1/30)3780000.

Dieser Bruch ist natürlich unvorstellbar klein, da der Nenner so groß ist. Allein 103780000 ist schon unvorstellbar groß: eine mit 3.780.000 Nullen hintendran! Daß heißt selbst wenn jeder Ex-West-Berliner eine Null hinter die Eins zeichnen würde, wäre das zu wenig.

Wie dem auch sei, mag die Wahrscheinlichkeit noch so klein sein, mathematisch existiert sie jedenfalls. Nun gehen wir noch einen Schritt weiter.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Welt durch Zufall entstanden ist?

Ich weiß, daß ich das hier nicht vorrechnen kann, da die ganze Welt mit allen ihren Organismen wohl um einiges komplexer ist als ein Buch. Aber theoretisch wird auch dafür eine Wahrscheinlichkeit bestehen, auch wenn sie noch viel, viel kleiner als die eben errechnete ist.

Eins habe ich bisher verschwiegen. Diese ganze Rechnerei funktioniert nur unter einer Bedingung. In der Wahrscheinlichkeitsrechnung geht man davon aus, daß man unendlich viel Zeit für einen Vorgang hat. Wenn ich also nur einmal meinen sechsseitigen Würfel werfe, kann man keinerlei Voraussagen über die gewürfelte 7ah1 machen. Auch wenn ich ihn sechsmal werfe, ist die Vorhersage, daß zehn davon eine sechs ergeben, sehr unsicher. Erst wenn ich ihn unendlich mal werfe, gilt die konkrete Aussage, daß in genau ein sechstel der Fälle eine sechs gewürfelt wird. Oder wenn ich unendlich oft meinen 30-seitigen Buchstabenwürfel werfe, werde ich alle 303780000 mal die Bibel würfeln.

Auf die Erde angewandt bedeutet dies, daß es durchaus möglich ist, daß die Welt durch Zufall entstand, wem man davon ausgeht, daß vor der Entstehung der Erde unendlich viel Zeit vorhanden war. In der Unendlichkeit wird nämlich jede noch so kleine Wahrscheinlichkeit irgendwann einmal erfüllt.

Doch auch bei dieser Theorie gibt es einen Haken: Mag sein, daß ich die Bibel würfeln kann, wenn ich es sehr lange versuche; was ich aber dazu auf jeden Fall brauche, sind Buchstaben, ohne die geht's nämlich nicht. Mag ja also sein, daß die Erde durch Zufall entstehen kann, aber woraus, wenn nichts da ist? Es fehlt schließlich die ganze Materie, aus der sie sich zusammensetzt. Erst dann können wir über Wahrscheinlichkeiten reden. Aber woher kommen diese ganzen Substanzen, die unsere Erde ausmachen...?

Man sieht, Papier ist geduldig. Gerade über Evolution/Schöpfung gibt es viele Theorien, die sich alle ganz toll anhören und trotzdem ihren Haken haben. Wenn man allerdings von einem Thema nichts versteht, läßt man sich leicht vollquatschen und begeistert sich vielleicht für etwas, was völliger Blödsinn ist. Glaubt nicht gleich alles, was man Euch sagt, bildet Euch Eure eigene Meinung dazu und überprüft Dinge, die Euch nicht ganz überzeugen. Aber Vorsicht: Manche Menschen schaffen es auch, einen zu überzeugen, obwohl ihre Meinung falsch ist. Umsonst gibt es nicht so viele Menschen, die Sekten verfallen und nicht mehr herausfinden.

Immer auf der Hut sein!

Ganz so krass ist das in unserer Gemeinde oder unter Christen natürlich nicht. Zumindest sollte das nicht so sein.

Einige Christen meinen jedoch, daß, wenn wir alle in der gleichen Bibel lesen, also dieselben Gesetze, Gebote und Ratschläge von Gott erhalten, wir alle in jeder Beziehung dergleichen Meinung sein müßten.

Folglich muß ihre Auslegung der Bibel die richtige und einzige sein. Alles andere wäre gelogen und falsch verstanden. Daran glaube ich nicht. Es heißt schließlich, wir alle sind Glieder an einem Leib. Dieser Leib ist Jesus Christus. Jeder von uns hat aber eine andere Aufgabe an diesem Leib, damit er funktionieren kann. Jetzt stelle man sich bitte einmal vor, die Nase hätte die gleiche Meinung über Geruch wie der Darm. Oder die Fuße die gleiche Meinung über Geschmack wie die Zunge.

Oder ein praktisches Beispiel: Gott möchte, daß jemand aus einer Gemeinde in einer Bundeswehrkaseme missioniert und gibt demjenigen deshalb (vorerst) eine positive Meinung über diese Institution, damit der überhaupt erst einmal dorthin geht.

Ein anderer soll ja einer Anti-Kriegs-Organisation die Schrecken und die Folgen waffenartiger Auseinandersetzungen zum Ausdruck bringen. Würden diese beiden Christen lange Grundsatzdiskussionen über z.B. "Du sollst nicht töten" führen, würden sie zu keinem Ergebnis kommen können und weder ihnen noch Gott wäre damit geholfen.

Gott gibt manchmal einfach unterschiedliche Ansichten über bestimmte Dinge, und es ist sehr wichtig, die Meinung eines anderen dann zu akzeptieren bzw. zu tolerieren. Was wiederum nicht heißen soll, daß Christen nichts falsch macht können, und alles irgendwie gerechtfertigt ist. Gott wird einem die Grenzen zeigen. Daraus resultiert etwas ganz wichtiges:

Es ist manchmal sehr hilfreich und oft sogar notwendig, den Ratschlag eines anderen oder dessen Meinung zu hören. Manchmal ist man auf einem falschen Weg, und nur ein anderer Christ kann einen auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Bei alledem darf man aber eins nicht vergessen.

Die persönliche Beziehung zu Gott zählt

Egal, wie sehr man einem anderen vertraut und wie schön und logisch seine Worte erscheinen, wichtiger ist die persönliche Beziehung zu Gott. Wenn Ihr auf Gott hört und auf Euer Gewissen, dann ist das mehr wert als das Wort des besten Freundes oder der Ratschlag des weisesten Mannes.

Man muß Gott mehr gehorchen a1s den Menschen, auch wenn sie noch so glaubwürdig erscheinen. Denn kein Mensch kann auch nur in entferntester Weise wissen, was Gott mit Euch vorhat. Darum kann er sich letztendlich auch kein Urteil über Eure Handlung bilden, solange sie von Euch vor Gott gerechtfertigt sind. Denkt bitte nicht, ihr könntet alles machen und niemand dürfte sich darüber beschweren. Sünde kann man nicht rechtfertigen, indem man sagt, Gott wollte das so. Darum spielt Euer Gewissen auch die zweitwichtigste Rolle bei der Geschichte!

Und noch etwas: So sehr Ihr bei den Worten der Menschen aufpassen müßt, so sehr könnt Ihr Euch auf Gottes Wort verlassen. Nicht umsonst heißt es in der Bibel, daß wir das Reich Gottes wie ein Kind annehmen sollen. Also hier naiv sein!

Menschliche Thesen lassen sich überprüfen, können auf Wahrheit untersucht werden. Versucht man aber Gottes Wort zu überprüfen, wird einem sehr bald der menschliche Geisteshorizont deutlich.

Doch wir können darauf vertrauen:

Gott ist die Wahrheit! (vgl. Joh. 14,6)

In diesem Sinne, kommt nicht unter die Räder,
Euer Carsten.